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Gemeinde Niederhelfneschwil, Zuckenriet, Lenggenwil

Geschichte – Niederhelfenschwil

Niederhelfenschwil geht zurück auf den als «Helfenschwil» bekannten Wallfahrtsort zum Hl. Rupertus und entwickelte sich bald zu einem wichtigen Punkt in der fürstäbtlichen Landschaft.

Niederhelfenschwil – Helfontes Villa

Niederhelfenschwil war ein wichtiger Ort in der fürstäbtlichen Landschaft. Als Wallfahrtsort zum Hl. Rupertus war Helfenschwil weitherum bekannt. Kein Wunder, wenn Niederhelfenschwil ein wichtiger Punkt im Gebiet der sanktgallischen Grundherrschaft genannt wurde.

Kussszene führt zu Vereinsauflösung

Pfarrer Vettiger war ein frommer und sehr strenger Mann. Er wirkte ab dem Jahr 1862 und initiierte die Renovation der Kirche. Er mühte sich, die Gläubigen und vor allem die Jugend unter Kontrolle zu halten. So bestand er auf der Erfüllung der Osterpflicht: jeder Gläubige hatte an Ostern seinen Beichtzettel abzugeben. Pfarrer Vettiger förderte das kirchliche Vereinsleben. So entstanden der Kirchenchor, der Jünglingsverein und die Musikgesellschaft. Im Jahr 1880 führte der Theaterverein das Stück «Der Karbunkel», die Geschichte einer mondsüchtigen Klosterfrau, mit einer Kussszene auf. Pfarrer Vettiger war strikte dagegen und wehrte sich so energisch gegen die Aufführung, dass der Verein aufgelöst werden musste. Später übernahm der katholische Jünglingsverein das Theaterspiel, durfte seine Stücke aber nur mit männlichen Rollen besetzen. Erst nach dem Tod von Pfarrer Vettiger leisteten sich Männerchor und Musikgesellschaft wieder Stücke mit gemischter Besetzung.

Kater kurieren

Bis zur Jahrhundertwende waren Volksspiele wie Eierleseten, Schafskegeln und Sackgumpen weit verbreitet. Die Dorfbewohner pflegten nur wenig Kontakt zur Aussenwelt und wenn ein Fremder durchs Dorf kam, so wussten bald alle Bescheid. Bei Bittprozessionen konnte man andere Pfarreien, Bekannte und Verwandte besuchen. Den Einkauf besorgte man (wie heute) in Bischofszell oder Uzwil. Bis zum Jahr 1975 gab es zwei kleine Tante-Emma-Läden, die nur wenige Waren anboten. Man kehrte mit einem Rucksack voll Waren und oft auch mit einem «Stüber» zurück – dies zum Ärger der ortsansässigen Wirte.

Im Verhältnis zur Grösse des Dorfes gab es sehr viele Wirtschaften und es wurde so laut diskutiert, dass man selbst bei geschlossenen Fenster auf der Strasse jedes Wort verstand. Ohne Mühe war zu vernehmen, wer in der Politik tonangebend war, ob einer aus der Hofen oder vom Millionenviertel (heute Neudorfstrasse, dorfauswärts Richtung Bischofszell) oder vom «aufgehnten Weg» (Hörnliberg).

Zur Entschuldigung der Dorfbewohner muss festgehalten werden, dass die Gäste kaum je Wein vorgesetzt bekamen, der das Wort verdiente. Oft war es ein Gesöff, das die Männer giftig, händelsüchtig und pflichtvergessen machte und so oft Jammer und Verdruss in die Familien brachte. Als die Stickerei (an der Billwilerstrasse) noch guten Verdienst brachte, torkelte manch junger Mann noch am Montag durch die Strassen. Viele Ehefrauen litten unter dem Alkoholmissbrauch ihrer Männer und Söhne.

Aufgaben der Dorfgemeinschaft

Früher stellte die Dorfgemeinschaft einen Nachtwächter an, der mit klapprigen Holzschuhen durchs Dorf schritt, lauthals die volle Stunde auskündigte und die Strassenlampen anzündete. Meist waren die Nachtwächter ältere Männer, die sich so die AHV verdienten. Weil die Zuverlässigkeit der Nachtwächter zusehends zu wünschen übrig liess, wurden im Jahr 1890 Kontrolluhren eingeführt, die sichern sollten, dass der Nachtwächter seinen Gang absolvierte. Auch mit dieser Neuerung machte man schlechte Erfahrungen und schaffte den Dienst um 1900 ab.

Die Dorfgemeinschaft organisierte die Feuerwehr und die Wasserversorgung. Die Quellen waren wohl ergibt, wegen der geringen Höhenunterschiede hatte Niederhelfenschwil aber fast keinen Druck. Ums Jahr 1890 wurde die hölzernen Teucheln für die Brunnenzuleitungen durch Eisenrohre ersetzt. Ab 1898 wurde die Kobesen-Quelle genutzt. Mit einer Widderanlage wurde Wasser ins Reservoir Reckholder gepumpt. Trotz der neuen Wasserversorgung versorgten sich viele Dorfeinwohner noch lange am Brunnen vor dem Pfarrhaus, neben den Wirtschaften Engel, Kreuz und Hirschen oder am Kasimirbrunnen in der Hofen. Auch der Bürgerpflug wurde im Winter gemeinsam betrieben.

Die Hauptversammlung fand jeweils am Silvesterabend statt, wohl um den Männer die Gelegenheit für Eskapaden zu nehmen. Dort beschloss man, 3 Petrollampen für die Dorfbeleuchtung anzuschaffen. Aus Gründen der Sparsamkeit wurden die Lampen bei klaren Mondnächten nicht angezündet. Erst im Jahr 1911 wurde die Strassenbeleuchtung elektrifiziert.

Dorfwacht
An jedem Sonntag wurde ein Familienvater verpflichtet, mit einer Hellebarde während des Hochamtes für Ruhe und Ordnung im Dorf zu sorgen. Am Bettag wurde er dabei durch einen sogenannten Polizisten in Soldatenuniform unterstützt.

Kobesenmühle

Kobesen, früher Jakobsmühle genannt, war einst ein sehr geschäftiger Ort. Bis 1870 herrschte der Getreideanbau vor. Die Mühle besorgte mit einem Pferdegespann wöchentlich für die produzierenden Bauern den Abtransport des Getreides und die Rückgabe des Mehls. Das Wasser für die Mühle wurde von der Quelle oberhalb der Kobesen mittels Holzkänneln und Stangengerüsten zur Mühle geleitet. Neben der Mühle standen Schweineställe, ein Wagenschopf, eine Haferdörre und eine Mahlkammer. Die Strasse zur Kobesen war mit weisslich-gelblichem Tuffsteingeröll des nahen Steinbruchs gekiest. Der Tuffsteinbruch wurde von verschiedenen Eigentümern betrieben und war ein Kletterparadies für Schüler.

Bilder der Kobesenmühle finden Sie in der Rubrik Kultur